Hexenhäuschen in Dinslaken

 

 

...aufgrund des nebenstehenden Zeitungsartikels sind meine zwei Kurzgeschichten zum Thema "Nachhaltigkeit" im Februar/März 2019 entstanden.

Ich habe die beiden Geschichten eingereicht, aber eine Reaktion darauf nie erhalten - schade aber auch. Eine Information / neuer Zeitungsartikel, wer die Illustratorin sein sollte, habe ich nie finden können. Vielleicht ist ja auch aus diesem Projekt nichts geworden..., wer weiß das schon ?

Auf jeden Fall hatte ich viel Spaß beim Schreiben der beiden Kurzgeschichten und das ist doch die Hauptsache.

Ich wünsche Euch nun viel Spaß beim Lesen, wenn ihr Lust dazu habt.


1. Geschichte

 

Neles Blick aufs Hexenhaus

Nele läuft mit ihrer Mama die Straße entlang, als Nele plötzlich losrennt und laut ruft: „Boah, ist das schön!“ Sie schaut sich die riesigen Füchse an, die auf der Häuserwand gemalt sind. „Mama, was ist das für ein Haus?“

„Das ist das Hexenhaus“, antwortet die Mutter. Nele macht automatisch einen Schritt zurück. „Wohnt da eine echte Hexe drin?“, will Nele wissen und blickt mit großen Augen zu ihrer Mutter auf.

„Aber nein meine Maus“, Neles Mutter streicht ihr über die Haare, „das heißt nur so, weil es schon so alt und urig ist.“

Nele atmet erleichtert auf und läuft die Häuserwand entlang um die Ecke.

„Boah“, kommt es schon wieder aus ihrem Mund. Eine riesige Frau mit türkisfarbenem Haar ziert die Häuserwand. Bunte Blätter umgeben diese Frau und Ranken schlängeln sich an hier hoch. Neles Blick wandert weiter und sie sieht das Baby, das an der Brust der Mutter trinkt.

Nele überlegt eine Weile und dreht sich schließlich zu ihrer Mama um. „Wer ist das? Ist das auch eine Mama? Habe ich das auch früher bei Dir gemacht?“ Fragen über Fragen gehen der Kleinen durch den Kopf.

Obwohl Neles Mama es eigentlich eilig hat, hält sie inne und nimmt sich Zeit, um ihrer Tochter die Fragen zu beantworten.

„Ja, das ist auch eine Mutter und ja, du hast auch Milch an meiner Brust getrunken.“

„Wie heißt die?“

„Ich glaube Pachamama“. Ihrer Tochter jetzt zu erklären, dass es sich dabei wohl um die Mutter Erde handeln soll, erscheint ihr noch zu früh. Das würde Nele noch nicht verstehen.

„Warum trinken Babies die Milch so?“, will die neugierige Maus wissen.

„Weil das gut für sie ist, das hat die Natur so eingerichtet“, erklärt die Mutter.

Nele überlegt wieder. Natur kennt sie schon, das ist draußen. Das sind die Tiere, die Blumen und die Bäume.

Nele schaut wieder auf die bunte Häuserwand. Bäume sieht sie, aber es sind keine Vögel, Blumen oder Bienen zu sehen. „Wo sind denn die Anderen?“, will sie wissen.

Neles Mutter schaut in das fragende Gesicht ihrer Tochter. „Welche Anderen?“

„Die anderen Tiere, die Blumen und die anderen Kinder?“

Neles Mutter ist schon oft an diesem Hexenhaus vorbei gelaufen, hat sich die Malereien aber noch nie so genau angesehen. Sie blickt auf die Berge, die sich in dem See spiegeln. Ihre kleine Tochter hat Recht. Da ist sonst niemand mehr.

„Ich weiß es auch nicht, Nele“, antwortet die Mama. Nele fährt mit ihrer kleinen Hand an der Häuserwand entlang. „Hier Mama, guck mal schnell, hier sind Fische“, ruft sie aufgeregt und freut sich, doch noch ein paar Tiere gefunden zu haben. Mit ihren Fingerchen tippt sie auf die kleinen Fischchen, die einen Schwarm darstellen sollen. Dann gibt es noch Delphine und auch einen orangefarbenen Fisch.

„Sind das Hochhäuser?“, will die Kleine wissen und zeigt auf die Umrisse einer versunkenen Großstadt. Die Mutter nickt zur Bestätigung. Langsam wird ihr die Botschaft dieser Malerei bewusst.

Nele bleibt abrupt stehen. Sie zieht ihre Stirn kraus und dreht sich zu ihrer Mutter um. „Muss ich auch tauchen lernen?“  Sie weiß, dass Menschen unter Wasser nicht atmen können, diese Erfahrung hat sie im Schwimmbad schon machen können.

„Wie kommst du denn jetzt darauf?“

„Weil das Kind mit dem Luftballon unter Wasser spielt“, Nele tippt auf die Wand.

Kinderaugen schauen viel genauer hin, stellt die Mutter fest und wird nachdenklich. Sie betrachtet die versunkene Stadt, entdeckt die gequält aussehenden Gesichter hinter dem Kopf der Freiheitsstatue und die leere Straße mit den Laternen, die kein Licht mehr spenden können. Einzig die riesengroße bunte Schildkröte, die auf ein Garagentor gemalt ist, macht noch Hoffnung, dass die Welt nicht ganz untergeht.

„Nele komm mal her zu mir“, die Mutter streckt ihre Arme aus und hebt Nele hoch.

„Sollen wir ein paar bunte Blumen für den Garten kaufen, damit die Bienen was zu essen haben?“

„Oh ja, Mami“, Nele drückt ihre Mama ganz fest, „und auch ein Futterhäuschen für die Vögel?“

„Aber natürlich mein Schatz“. Sie stellt Nele wieder auf die Füße. „Na, dann komm!“

Nele ist schon groß genug. Die Mutter wird ihr die Welt erklären müssen, und wie man vernünftig mit ihr umgeht. Denn wenn das nicht passiert, werden wir wohl alle bald tauchen lernen müssen.



2. Geschichte

 

Mutter Erde, die Füchse und das Gleichgewicht

Mutter Erde hat ihr Baby im Arm. Im Schutz der bunten Blätter trinkt das Baby seine Milch, damit es groß und stark werden kann. Voller Sorge betrachtet die Mutter die Waage in ihrer Hand. Noch sind die Waagschalen auf gleicher Höhe, doch wird das nicht mehr lange so bleiben befürchtet sie. Die Menschen sind so egoistisch, kurzsichtig und stur. Jeder ist nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht und kümmert sich nicht um das große Ganze, damit alles im Gleichgewicht bleibt.

Zwei Füchse blicken neugierig zur Mutter Erde. „Was ist das für ein Ding, das Du da in der Hand hältst?“, wollen sie wissen.

„Das ist eine Waage, die mir anzeigt, ob sich unsere Welt noch im Gleichgewicht befindet oder nicht“.

„Was ist Gleichgewicht und wofür ist das gut?“, wollen die Füchse wissen.

Die Mutter Erde legt das mittlerweile eingeschlafene Baby auf das weiche Moos am Boden und deckt es mit den bunten Blättern zu. So hat das Kind es warm und kann etwas Schönes träumen.

„Gleichgewicht bedeutet Harmonie, Ausgeglichenheit, Stabilität, alles ist im Einklang. Die Natur benötigt diesen Einklang, um gut funktionieren zu können, damit es uns allen gut geht.“

Die schlauen Füchse schauen sich an und schütteln mit den Köpfen. „Dann wird diese Waage aber nicht mehr lange so schön gleichmäßig aussehen, oder?“, fragen sie traurig.

Voller Sorge blickt Mutter Erde auf ihr Kind und nickt mit dem Kopf. „Schon bald wird sich eine der Waagschalen nach unten bewegen. Die Menschen reden zwar ständig darüber, dass sie die Natur schützen und nachhaltig mit ihr umgehen müssen, aber sie tun es nicht.“

„Die Menschen scheinen aber ganz schön dumm zu sein“, stellen Herr und Frau Fuchs fest, „sonst würden sie dich doch besser behandeln, damit du auch noch gut für ihre Kinder sorgen kannst.“

„Tja“, seufzt Mutter Erde, „was soll ich sagen? Dumm sind die Menschen eigentlich nicht. Sie wissen ja was für Folgen ihr Handeln hat, aber die Gier nach immer mehr scheint größer zu sein als die Vernunft.“

Mutter Erde beugt sich über ihr Baby, hebt es auf und drückt es fest an sich. Dann legt sie die Waage für einen Moment zur Seite. „Kommt mit, ich will euch etwas zeigen.“

Die Füchse folgen Mutter Erde zu einem See. Mit ihrer freien Hand streicht sie über die Wasseroberfläche und fordert die Tiere auf genau hinzuschauen.

Eine einsame Wasserschildkröte schwimmt über eine versunkene Stadt. Zerfallene Hochhäuser sind zu sehen, ebenso die untergegangene Freiheitstatue. Ein kleines Kind zeigt einem orangefarbenen Fisch seinen Luftballon. Soviel Wasser ist zu sehen, aber nur sehr wenige Fische die darin herumschwimmen. Gequält aussehende Gesichter scheinen zu wissen, was die Menschen angerichtet haben.

Das Fuchspärchen blickt auf zur Mutter Erde. „Menschen können unter Wasser nicht atmen, warum bauen Sie Häuser auf dem Meeresgrund?“, wollen sie wissen.

„Sie haben die Häuser dort nicht gebaut“, beginnt Mutter Erde zu erklären, „dies ist eine versunkene Welt, weil der Meeresspiegel angestiegen ist, und wenn die Menschen nicht aufhören so sorglos mit mir umzugehen, wird es immer wärmer werden, so dass alles Eis schmelzen wird.“

Die Füchse schauen sich an und sind sich einig. „Arme Mutter Erde, was machen diese Menschen nur mit dir? Was haben sie nur gegen dich und deine Natur? Kann man das noch aufhalten?“

Mutter Erde streicht liebevoll über das Baby, hebt die Waage wieder auf und blickt über das glitzernde Wasser, in dem sich die Berge spiegeln. Diese scheinen schon nicht mehr so hoch zu sein, wie noch vor ein paar Augenblicken.

„Sie gehen verschwenderisch mit mir um und wenn sie nicht bald damit aufhören, wird mir die Kraft ausgehen. Ich werde die Welt nicht mehr beschützen können, nicht mehr dafür sorgen können, dass alles wieder nachwächst.“  

Die Augen von Mutter Erde schauen traurig aus. Eine Träne kullert ihr über die Wange und tropft auf den Boden. Der Boden bricht auf und eine zarte Pflanze bahnt sich ihren Weg an die Oberfläche. Die Sonnenstrahlen lassen sie wachsen und aufblühen. Mit einem zaghaften Lächeln streicht Mutter Erde über die Blütenblätter der Kamille. „Ich hoffe, dass es sich noch aufhalten lässt. Wenn die Menschen doch nur endlich beginnen würden mit meinen Ressourcen vernünftig umzugehen und jedem Lebewesen seinen Lebensraum zu lassen, dann wäre schon viel gewonnen.“

Die schlauen Füchse schauen voller Zuversicht auf das Baby, das sich im Arm von Mutter Erde sichtlich wohlfühlt. „Wenn die erwachsenen Menschen nicht so klug sind, um vernünftig mit dir umzugehen, vielleicht kannst du ja bei den kleinen Menschen etwas erreichen.“

Die grünen Augen von Mutter Erde beginnen zu leuchten: „Ihr meint die Kinder! Das ist schlau von Euch. Ich werde es versuchen.“